Ein Rezept für gute Retrospektiven

Unsere Gastautorin Sana Tornow beschreibt ihr Rezept für gute Retrospektiven.

Für mich ist eine gute Retrospektive wie ein leckeres Essen in vertrauter Gesellschaft. Es wird über Schönes und Herausforderndes gesprochen, über das, was uns in den letzten Wochen beschäftigt hat und das, was wir in den kommenden Wochen anpacken und eventuell bewusst ändern wollen.

Wie bei einem klassischen Rezept, beginnt mein Rezept für gute Retrospektiven mit der Zutaten-Liste:

Die Zutaten für gute Retrospektiven

Man nehme:

  • ein Ziel
  • ein CheckIn / ein CheckOut
  • eine Rückschau
  • eine Bestandsaufnahme zur Rückschau
  • die aktuellen Themen, am besten frisch
  • eine Sortierung
  • eine Gewichtung
  • einen offenen Austausch
  • einige Experimente/Vereinbarungen
  • Verantwortliche
  • ein Commitment
  • eine wohlwollende Haltung
  • Offenheit
Der Grund unseres Zusammenkommens

Wenn ihr für eine Retrospektive zusammenkommt, ohne das alle im Team wissen, warum ihr euch trefft oder was das Ziel der Retro ist, könnte es passieren, dass euer Gericht zu fad wird. Das Ziel der Retro sollte allen klar sein, so dass die Retro eine wohl gewürzte Sache wird.

Ein CheckIn

Oft ist es so, dass Teilnehmende zur Retro kommen und vorher etwas ganz anderes gemacht haben. Vielleicht noch im Code den einen Bug gesucht oder gedanklich noch in dem vorherigen Meeting sind. Damit alle die Chance haben, wirklich in der Retro anzu- und den Kopf freizubekommen, ist ein kurzer CheckIn unerlässlich. Es ist vergleichbar mit deinen Koch-Utensilien. Bevor du startest legst du dir als Köchin oder Koch alles bereit, was du brauchst.

Die Rückschau

Was ist der Stand der letzten Wochen? Wie zufrieden seid ihr, bzw. ist das Team, bezüglich der Umsetzung, der in der letzten Retro angestoßenen Themen. Wurden die vereinbarten Verbesserungen auf den Weg gebracht? Haben sich die Verantwortlichen darum gekümmert? Macht eine Bestandsaufnahme und prüft, ob es hier Nachschärfung und ein erneutes Commitment benötigt oder die Themen als erledigt betrachtet werden können.

Das Sammeln von (frischen) Themen

Packt erst einmal alle Themen auf den Tisch. Nachdem ihr alle Zutaten zusammen habt fang an zu sortieren: Welche ähneln sich und können somit zusammen gefasst werden? Wenn ihr damit fertig seid und alle Themen sortiert und geclustert habt, überlegt, wie wichtig welches Thema für euer heutiges Gericht ist. Stimmt dafür mit allen z.B. mit einer Punktabfrage ab.

In den Austausch kommen

Welche Themen haben die meisten Stimmen bekommen und damit die höchste Dringlichkeit bei euch im Team. Jetzt habt ihr verschiedene Möglichkeiten vorzugehen: Ich könnt entweder alle zusammen bleiben und alle 1 bis 3 wichtigsten Themen gemeinsam besprechen mit dem Ziel, ein Experiment bzw. einen konkreten Verbesserungsvorschlag zum Ausprobieren zu erarbeiten. Oder ihr teilt euch in Gruppen auf, wobei jeweils die Initiatoren der Themen den Lead in den Gruppen haben sollten. Entweder bereitet ihr also gemeinsam, Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch zu oder ihr bearbeitet die einzelnen Gänge in den einzelnen Gruppen.

Verbesserungen aufsetzen

Ihr habt euch die Ursachen für euer Problem angeschaut, seid auf Ideen gekommen, was ihr ihr daran ändern könnt und habt nun einen konkreten Vorschlag, was ihr im nächsten Sprint anders machen und ausprobieren wollt? Prima! Findet spätestens jetzt noch Verantwortliche, die im Blick haben, dass die Verbesserungen angestoßen und umgesetzt werden und zur nächsten Retro berichten können, wie der aktuelle Stand der Verbesserungen ist.

Beschließt zudem gemeinsam im Team, ob die konkreten Verbesserungsvorschläge für euch nachvollziehbar und tatsächlich realisierbar sind. Achtet hier auf eure Kapazitäten und Zeiten. Um im Koch-Kontext zu bleiben: Seid ihr satt oder habt ihr schon Völlegefühle, geht es euch gut oder seid ihr noch hungrig?

Zu guter Letzt

Bevor ihr auseinander geht, bewertet noch kurz, wie ihr die heutige Retro fandet. Eine Daumenwahl ist eine schnelle Möglichkeit, einen Eindruck zum Gesamtstimmungsbild der Gruppe zu bekommen. So haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, die Retro gehen zu lassen und sind innerlich frei für anschließende Aufgaben.

Wertvolle Hinweise für die Retrospektive

Das Rezept für gute Retrospektiven ist schon die halbe Miete. Achtet während der Retro außerdem darauf, dass:

  • alle mind. 1 Mal gesprochen haben
  • ihr in den Gesprächen aufeinander eingeht
  • sich eure Gespräche am Ziel der Retro orientieren
  • eure Haltung offenen, neugierig und wertfrei ist
  • ihr konstruktiv und an einer Lösung interessiert seid
  • in ICH-Botschaften kommuniziert (Warnehmung – Wirkung – Wunsch) wird
  • die Moderation wertfrei und allparteilich agiert und angenommen wird
  • jemand das Protokoll macht

Nach der Retro ist vor der Retro – die Doku

Da die Retrospektiven aufeinander aufbauen und zu Beginn einer Retro der aktuelle Stand der letzten Vereinbarungen überprüft wird, empfiehlt es sich, dass ihr eure Retros dokumentiert und sichtbar macht. Aus der Doku sollte hervorgehen, wer an der letzten Retro teilgenommen hat, welche Vereinbarungen getroffen wurden und wer die Verantwortlichen bzw. die Treiber der Vereinbarungen sind.

Das Rezept für gute Retrospektiven auf einen Blick

Kompakt zusammengefasst, für alle, die es eilig haben:

  • Das Ziel der Retro. Richten sich Themen und Gespräche am Ziel aus?
  • CheckIn und Ankommen
  • Rückschau. Überprüfen, was aus den Vereinbarungen der letzten Retro geworden ist.
  • Vorstellen der neuen Themen. Nur vorstellen, noch nicht diskutieren.
  • Clustern der Themen. Findet die Gemeinsamkeiten in euren Themen.
  • Gewichten der Themen z.B. mit Punktabfrage. Was sind die aktuell für uns wichtigsten Themen, an welchen 1 bis 3 Verbesserungen wollen wir den kommenden Sprint arbeiten?
  • Sprechen über die 1 bis 3 wichtigsten Themen, entweder im Plenum, oder in Kleingruppen
  • Aufsetzen von Vereinbarungen zur Verbesserung bzw. Experimenten
  • Treiber/Verantwortliche für die Vereinbarungen
  • gemeinsamer Beschluss über die Vereinbarungen. Insbesondere wenn ihr in Kleingruppen gearbeitet habt, kommt im Plenum zusammen, stellt euch die Themen vor und beschließt gemeinsam, ob ihr alle vorgestellten Verbesserungen ausprobieren wollt und könnt (z.B. Kapazität)
  • CheckOut und Verabschiedung
  • Dokumentation erstellen & zur Verfügung stellen

Eine originelle Retro mit Seestern findest du übrigens hier auf unserer Seite!
Die mit dem Seestern

Sana Tornow hat 2021/22 als Beraterin im Team von smidig mitgearbeitet. Sie ist Mitautorin von „Daily Play. Agile Spiele für Coaches und Scrum Master.“