OKR – Mehr als ein Hype?

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Sana Tornow stellt ihre agile Lieblingsmethode OKR vor.

Teamübergreifende Transparenz, Fokus, auf ein gemeinsam gestecktes Ziel, Commitment aller im Team, faktenbasierte Budgetentscheidungen und intrinsische Motivation der Mitarbeitenden. Hört sich ein bisschen nach Traumfabrik an? Vielleicht nur, weil OKR bisher noch unbekannt ist.

Was ist OKR?

Objectives and Key Results – kurz OKR, ist ein Rahmenwerk und unternehmensweites Zielsystem. Auf Quartalsbasis gibt es einen transparenten Überblick der Ziele aller Abteilungen. Durch die gemeinsamen Zielvereinbarungen, vom Konzern bzw. den Geschäftsführenden über die Teamleads bis hin zum Auszubildenden oder Werkstudierenden. Alle im Team wissen, auf welches Ziel hingearbeitet wird, wer dabei welchen Anteil am Gelingen der Gesamtlösung trägt und welche Aufgaben es dabei zu übernehmen gilt. Das Besondere ist, dass allen dabei auch bewusst ist, was es eben nicht zu tun gibt.

Das Objective im OKR-Set ist der qualitative Ziel-Zustand, der nach einem festgelegten Zyklus erreicht werden soll und die Key Results sind die Schlüsselindikatoren, die quantitativ die Erreichung des Objectivs überprüfbar machen.

Beispiel OKR »HomeOffice«:

Zum besseren Verständnis sei an dieser Stelle ein Beispiel gegeben. Stell dir vor, du bist mit deinem Arbeitsplatz im HomeOffice unzufrieden. Dies möchtest du gern innerhalb der nächsten Zeit ändern. Das Objective könnte sein: »Ich mag meinen remote Arbeitsplatz, um gut im HomeOffice arbeiten zu können.«

Das Objektive gibt bereits Hinweise darauf, welche Key Results wir benötigen, um den qualitativen Zustand, quantitativ messbar zu machen: 1. technische Ausstattung zu Hause und 2. den HomeOffice Arbeitsplatz mögen.

Daraus ergeben sich z.B. folgende Key Results:
  • KR1: Meine Sitzmöglichkeit ist 100% ergonomisch.
  • KR2: Mein Platz hat mind. 6 Stunden Tageslicht.
  • KR3: Meine Peripherie erlaubt es, mindestens 4 Fenster mit lesbarem Inhalt nebeneinander geöffnet zu haben.
  • KR4: Ich habe 1 HeadSet mit noise reduction, um gut an Videokonferenzen teilnehmen zu können.
  • KR5: Ich vergebe 5 von 5 Sternen für meinen Arbeitsplatz.

Wer aufmerksam liest wird feststellen, dass alle Key Results positiv formuliert sind. Das ist ein kleiner psychologischer Trick, da wir so immer die positive Version unseres Vorhabens visualisieren.

Was macht OKR so besonders?

Allen Mitarbeitenden ist Dank OKR bewusst, wo das Team im Projekt steht, wo die anderen stehen, wohin das gesamte Unternehmen möchte und was jeder einzelne individuell dazu beitragen kann. Es befähigt Mitarbeitende, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Alle wissen worauf hingearbeitet wird und wie sie persönlich in ihrer Funktion dazu beitragen. Zudem kann zum Ende jeder OKR-Phase der Invest überprüft werden. Müssen Budget-Anpassungen vorgenommen, Budget gespart oder Budget erneut eingesetzt werden.

Wie läuft ein OKR-Prozess ab?

Es gibt, insgesamt 4 Termine im OKR-Zyklus. Den Zielfindung-Workshop, auch Planning genannt, der zu Beginn der OKR-Phase statt findet. Hier wird besprochen und festgelegt, an welchen Themen die nächsten 3 Monate gearbeitet wird. Das OKR-Weekly, das wöchentlich ist und den Teams dabei hilft zu überprüfen, ob sie an den richtigen Hebeln arbeiten. Hier werden Hindernisse sichtbar und es wird besprochen, was es braucht, um die Objectives zu erfüllen. Zudem gibt es, wie bei Scrum, das OKR-Review zum Zyklusende der OKR-Phase. Es wird objektiv geschaut, was erreicht wurde und welche Learnings daraus generiert werden konnten. Die OKR-Retrospektive, ebenfalls am Ende des Zyklus, dient der Betrachtung der Zusammenarbeit im Team während der OKR-Phase.

Passt OKR zum agilen Arbeiten?

Arbeit mit OKRs wird durch 6 Begriffe geprägt. Diese sind: Fokus, Zusammenarbeit, Mut, Transparenz, Alignment und Commitment.

  • Fokus: Wenige Ziele helfen, rasch zu entscheiden, zu handeln und Erfolge zu feiern
  • Zusammenarbeit: das gesamte Potential des Teams wird genutzt, im Idealfall cross-funktional
  • Mut: mutig sein, in den sich selbst gesteckten Zielen, Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen, Mut haben, vielleicht auch Pionier im eigenen Unternehmen zu sein, Neues zu wagen oder unkonventionelle Schritte zu gehen
  • Transparenz: Alle können alle OKR-Sets sehen, Abhängigkeiten sind aufgedeckt und alle wissen, wie und wo die anderen Teams gerade stehen
  • Alignment: Alle arbeiten auf ein großes Ziel hin, die Unternehmensziele decken sich mit dem, was an der Basis geschieht
  • Commitment: Alle sind engagiert und motiviert, ihr Bestes zu geben, allen ist bewusst, dass sie im Team Erfolge feiern und Herausforderungen gemeinsam begegnen

OKR lässt sich wunderbar mit anderen agilen Frameworks wie z.B. Scrum kombinieren. Es arbeitet mit Ausbaustufen (Inkrementen) und geht schrittweise (iterativ) vor. Wie bei anderen agilen Arbeitsweisen bekannt, funktioniert OKR nach dem  Prinzip Überprüfung und Anpassung (inspect & adapt). Es wird geschaut, was wurde gemacht, wie wurde es gemacht und was machen wir in Zukunft besser. OKR fördert somit das agile Mindset und ergänzt gewinnbringend vorhandene agile Arbeitsweisen.

Wie sieht ein OKR-Set aus? – Ein weiteres Beispiel

Ein erstes OKR-Set zu formulieren ist gar nicht so einfach. Zum Glück gibt es ein paar Indikatoren, die dabei helfen zu überprüfen, ob sowohl das Objective als auch die Key Results gut formuliert sind.

Gut in Bezug auf das Objective meint:

  • Ist das Objective anspruchsvoll und erreichbar in 3 Monaten?
  • Beschreibt den angestrebten Zielzustand?
  • Ist es sinnstiftend und bewegt es sich in die Richtung der mittelfristigen Ziele (mid-term goal/MOAL)?

Ein MOAL wiederum ist ein qualitativer Wegweiser mit der Haltbarkeit von 12 Monaten und wird wie ein Objective formuliert.

Gut in Bezug auf die Key Results meint:

  • Sind diese Key Results relevant für das Objective?
  • Haben sie einen klaren Messwert?
  • Haben sie einen spürbaren Mehrwert?
Beispiel OKR »Bäckerei«

Stellen wir uns vor, wir haben eine Bäckerei. Durch das veränderte Bewusstsein der Bevölkerung für eine gesunde Lebensweise, haben auch wir den Anspruch gewonnen, unsere Kund:innen nicht nur satt zu machen, sondern sie dabei zu unterstützen, sich gesund und köstlich zu ernähren. Deshalb wollen wir innerhalb der nächsten 5 Jahre eine Entwicklung anstoßen, dass wir mehr leckere Vollkornprodukte als Weißweizenprodukte verkaufen. Damit haben wir quasi den Zweck unserer Unternehmung gefunden und unsere Vision.
Unser MOAL könnte sein:

»Unsere Bäckerei verkauft ausschließlich beste Vollkornprodukte, die Menschen nicht nur gesund satt machen, sondern auch schmecken.«

Ein passendes Objective, was ambitioniert aber in 3 Monaten realisierbar wäre ist:

»Unsere Vollkornprodukte sind bei unseren Kunden beliebt.«

Passende Key Results, also Schlüsselindikatoren, die belegen, dass unsere Vollkornprodukte gut ankommen könnten sein:

  • KR1: 50% unserer Mehlnachbestellungen sind Vollkornmehl.
  • KR2: Jedes zweite verkaufte Produkt hat einen Vollkorn-Anteil.
  • KR3: Unsere Kunden bewerten unsere Vollkornprodukte mit 5 von 5 Punkten
  • KR4: 4 von 5 Kunden würden unsere Vollkornprodukte weiterempfehlen.

Dies wäre ein OKR-Set für die nächsten 3 Monate. Je nach Teamgröße kann auch ein zweites oder drittes Set aufgesetzt werden. Alles Setzt zahlen auf das MOAL und langfristig auf die Vision ein. Themen aus Vertrieb, Marketing, Einkauf und Produktion könnten hierbei zum Einsatz kommen.

Beispiel OKR »Softwareentwicklung«

Als Product-Owner hatte ich eine Software, die Nutzer:innen zum Zeitpunkt X nur auf stationären Endgeräten verwenden konnten. Mein MOAL war, innerhalb von 4 Entwicklungszyklen (4 x 3 Monate) eine neue Version der Software zu haben. Anwneder:innen sollten diese Version auf mobilen Endgeräten wie Tablets und Smartphones aller Betriebssysteme nutzen können. Damit sollte der Kundschaft ein zeitgemäßes Produkterlebnis geboten werden. Meine OKR-Sets habe ich also dahingehend formuliert mir zu überlegen, was jeweils der nächste kleine Schritt bzw. Zielzustand ist, den ich brauche, um mein MOAL – meinen langfristigen Zielzustand – zu erreichen.

Mein MOAL:

»Kunden spielen unsere Software plattformübergreifend, um ein state-of-the-art Produkterleben zu haben.«

Das MOAL gibt eine klare Richtung vor, ohne dabei eine Tätigkeitsbeschreibung zu sein. Es beschreibt einen angestrebten Zustand und der Mehrwert ist für alle erkennbar – ohne dabei messbar zu sein. Es inspiriert und motiviert zum Mitmachen.

Zu Beginn sieht es vielleicht nach einem sehr großen Vorhaben aus und die zu erledigenden ToDos scheinen einen zu überwältigen. Die Frage ist dann, was ist die nächste kleine Etappe, die ich stemmen kann? Was soll nach Erreichung dieser anders sein, als es jetzt ist?

Probiert es aus. Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen.

Sana Tornow hat 2021/22 als Beraterin im Team von smidig mitgearbeitet. Sie ist Mitautorin von „Daily Play. Agile Spiele für Coaches und Scrum Master.“